Donnerstag, 31. Oktober 2013

Gedanken zu Allerheiligen und zum Volkstrauertag nach einem Gang durch Bad Mergentheim

Ringen um das Kreuz - Natur, Religion, Werte

Gedanken zu
Allerheiligen 
und zum Volkstrauertag

nach einem Gang durch
Bad Mergentheim
und einer Relecture der Gedichte Lenaus.

Motto:

Meiner Toten dann gedenk ich,
Wild hervor die Träne bricht,
Und an deinen Busen senk ich
Mein umnachtet Angesicht.


Aus: Nikolaus Lenau, An die Melancholie


"Die Kreuze im Leben des Menschen sind wie die Kreuze in der Musik; sie erhöhen"

Ludwig van Beethoven 


"Hält der Mensch die Blicke himmelwärts,
Und die Arme liebend ausgebreitet,
Um die Welt zu drücken an sein Herz,
Hat er sich zur Kreuzigung bereitet."
 Lenau



Ecce Homo - Memento.
Christus am Kreuz im Arkau-Wald, Bad Mergentheim.




Nikolaus Lenau

Der Vogel auf dem Kreuz

Dort auf dem Kirchhofkreuze sang
Ein Vogel einsam; aber bald
Erhob er sich und schwang
Zurück sich in den grünen Wald.

 
Wie früher aus dem Frühlingschor
Schallt nun sein Lied so frei und wild;
Kein Vöglein noch verlor
Die Stimm am lieben Kreuzesbild.


Lenaus Werk ist Ausdruck eines intensiven Ringens mit dem Kreuz, um das Kreuz
und 
schließlich - als Vorläufer des Dinoysikers Nietzsche - auch

gegen das Kreuz.



Sühne-Kreuz in Bad Mergentheim 
vis-à-vis der St. Wolfgangskapelle 

an der Tauberbrücke.


Manch ein Toter fiel im Kampf um Freiheiten und Bürgerrechte 
bereits im 16. Jahrhundert
 zur Zeit der Bauernkriege.

Nach Erhebungen, Revolten und Sympathie mit den aufrührerischen Bauern mussten die Mergentheimer, über Jahrhunderte überwiegend Untertanen des Deutschen Ordens, 
mehrfach Sühnekreuze errichten,
nachdem einige aus ihren Reihen exekutiert worden waren.




Die Kapelle St. Wolfgang in Bad Mergentheim



Blick in die St. Wolfgangskapelle.

Im Hintergrund an der Decke über dem Altar erkennt man 
die Zahl 1511.

Oben über dem Wappen: 

das Wappen der Stadt Mergentheim aus jener Zeit.



Aus diesem Wappen aus dem 16. Jahrhundert kristallisierte sich das aktuelle Wappen 

der Stadt Bad Mergentheim heraus.





In hoc signo ...

Kreuz des Deutschen Ordens
in der Schlosskirche in Bad Mergentheim,
ehemalige Residenz des Deutschen Ordens.



Weiteres Sühnekreuz, Standort: Kurpark Bad Mergentheim



Sühnekreuze 

christlicher Despoten 

werden in falsch verstandener Pietät Jahrhunderte aufrecht erhalten und besser gepflegt als echte Kunstwerke.

So ehrt der unterwürfige Mensch guten Gewissens und mit Stolz auch heute noch über die Symbole der Unterdrückung die Ausbeuter der geknechteten Vorfahren – unreflektiert masochistisch.

Sklaven weinen am Sarg der Diktatoren, dankbar, weil sie am Leben bleiben und dienen durften.





Die Tauber in Bad Mergentheim an Allerheiligen 2011





Herbst an der Tauber



Melancholischer Brücken-Heiliger auf der Tauberbrücke in
Bad Mergentheim.


Die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen sei inzwischen abgeschafft,
 sagt man.

Doch die Knechtung vieler Menschen durch das Kapital der Mächtigen geht weiter.
Die Gesellschaft ist heute ein Spielball des Kapitals.


Zur verwandten Thematik (Christentum in Taubertal) vgl. auch meinen Blog-Beitrag:



Ob jemand in seiner Entwicklung den Weg zum Kreuz findet und endgültig dabei bleibt
 oder
ob er die Umkehr schafft, die Wende,
das "Zurück zur Natur" - 
dies entscheidet der Einzelne selbst im Einklang mit seinem Gewissen und seiner Einbettung in kosmischer Harmonie.

Der Tao ist individuell.

Auch ich verehrte einmal das Kreuz,
das Kreuz der Christenheit,
das Malteser-Kreuz des Deutschen Ordens - 
damals in antikommunistischer Opposition während der Ceausescu-Diktatur in Rumänien,
als Kampf-Symbol,
als metaphysisches Gegengewicht zu
Hammer und Sichel .

Vgl. meine Beschreibung aus den Erinnerungen:




bzw.


Jeder muss sein Kreuz tragen, auch in schweren Zeiten.

Die Heuchelei mancher Ehren-Kreuz-Träger ist geblieben:





Mehr über
Nikolaus Lenau
unter
Interpretationen zur Dichtung Lenaus in meinem Werk:
Carl Gibson, Lenau. Leben - Werk - Wirkung.
Heidelberg 1989, 321 Seiten.
Dieses viel zitierte Standardwerk der Lenau-Forschung ist -
laut World Cat Identities und neben einer Studie des Freud Schülers Isidor Sadger über das Liebesleben Nikolaus Lenaus -
das weltweit am meisten verbreitete Werk über den Spätromantiker und Klassiker der Weltliteratur Nikolaus Lenau .
Der leider viel zu früh verstorbene Germanist und Nietzsche-Forscher Prof. Dr. Theo Meyer erkannte in diesem Werk
"einen Markstein der Lenau-Forschung.
Es ist überhaupt die prägnanteste Lenau-Monographie. es dürfte zum Besten gehören, was über Lenau überhaupt geschrieben worden ist."
Das Werk, das mir, dem Autor bisher noch kein Einkommen generiert hat, wurde in acht Teilauflagen gedruckt. Die Leinen-Ausgabe ist seit vielen Jahren vergriffen. Ein Restbestand der kartonierten Ausgabe liegt - ungeachtet anderer Meldungen im Internetbuchhandel - noch vor und kann beim Winter Verlag, Heidelberg bezogen werden.
Trotzdem ist eine grundlegend überarbeitete Neu-Edition dieser Monographie angesagt,
da die Werke und Briefe Lenaus inzwischen in einer historisch-kritischen Ausgabe vorliegen.
Fotos: Carl Gibson
©Carl Gibson

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