Sonntag, 27. Oktober 2013

Original und Fälschung, Authentizität und kompilatorisches Plagiat? Mit fremden Federn? Teamwork, Koproduktion, Bestseller und Urheberrecht - Legitime Fragen zur Genese von Herta Müllers „Atemschaukel“ und der Zusammenarbeit mit Oskar Pastior

Mit fremden Federn? Teamwork, Koproduktion, Bestseller und Urheberrecht - Legitime Fragen zur Genese von Herta Müllers „Atemschaukel“ und der Zusammenarbeit mit Oskar Pastior

Eine Gratwanderung zwischen Original, Fälschung, Authentizität und kompilatorischem Plagiat? 

Wenn ein Gesamtkunstwerk auf der Bühne entsteht, wirken in der Regel viele Künstler mit,
um es zu vollenden, um es zum Erfolg zu bringen.

Im Filmbereich, gerade bei „literarischen Verfilmungen“ großer Werke der Weltliteratur, sind oft internationale Koproduktionen angesagt, mit Darstellern von Weltruf, um Durchbruch, Akzeptanz und kommerziellen Ertrag über grenzen hinweg zu sichern.

Doch wie ist es bei einem Buch, das zum „Bestseller“ gemacht wird?

Steht da nur ein „Autor“ dahinter – oder der gesamte Marketing Apparat eines Großverlages mit allen Mitteln eines Großverlages?

Einzelkämpfer, unbekannte Autoren wissen, dass es so ist … und dass sie mit ihren Kreationen bzw. Produktionen nicht durchdringen können, weil die Lobby fehlt, die Beziehungen, die Möglichkeiten eines großen Hausverlags, der einen Titel forciert wie die Industrie eine Marke auf dem Markt durchsetzt – über bestimmte Autoren als „Brandname“ und „Galionsfigur“, ganz egal, ob Identität und Wahrheit im Einklang sind.

Das Image eines Autors und seines Produkts wird einfach gemacht – nach einem Erfolgsdesign, so wie es sein soll.

Dass dabei zwischen Wahrheit und Lüge krasse Diskrepanzen bestehen, stört keinen.

Klüfte sind da, um überbrückt zu werden.
Die Lüge ist da, um als Wahrheit verkauft zu werden.

So ist das eben – in der großen Politik wie in der Kultur, wo der Wille zur Macht und zum Erfolg seine eigenen Gesetzmäßigkeiten hat.

Wenn Kritiker auftreten, um einiges zu entlarven, nach „historischen Wahrheiten“ fragend,
nach dem Logos, nicht nach dem Mythos,
nach dem Ding, dem Wesen, nicht nach dem Schein und dem Scheinen der Scheinwelt,
dann werden sie mundtot gemacht – so oder so.

Das Spezielle verweist auf das Grundsätzliche – in Politik, Gesellschaft und in der Kunst

Jedermann kann das  überprüfen, indem er sich auf die Suche nach einer bestimmten „Wahrheit“ macht.
Bald wird es dann feststellen, dass vieles krumm ist und schief, dass Verlogenheit und Heuchelei regieren und alles so lange verfälscht, geglättet und überdeckt wird, bis es nicht mehr geht, bis die gr0ße Lüge zum Vorschein kommt – und alle erkennen:

Der Kaiser ist ja nackt,
Der Kaiser hat nicht an!

Alles fremde Federn?

Was ist echt?
Was ist Täuschung?
Was ist genuin, originell?
Was ist geklaut, beborgt, entliehen, kopiert, gestohlen, epigonenhaft –
Nicht nur in der Wissenschaft,
auch in Geist und Kunst.

Regiert das „Al-ob“ der Täuschung?

Literatur- und Geist-Historiker müssen danach fragen, wenn sie werten und urteilen wollen.

Die „Wahrheiten“ der Tageszeitungen, die nur auf Effekthaschei und das Geschäft dahinter aus sind, statt eine objektive Informationsvermittlung zu leisten, sind dafür ungeeignet, denn sie haben sich an den sorglosen Umgang mit „Wahrheit und Lüge“ längst gewöhnt, interessiert ein Sprachrohr einer bestimmten Richtung zu sein, Meinungen machend und das Bewusstsein der vielen instrumentalisierend.

Einige wenige Zeitungen – mit und ohne Bilder – sagen den Vielen, was sie zu denken haben, was sie gut und schlecht finden sollen, was sie lesen und was sie am Bildschirm verfolgen sollen – über das profane „panem et circensis“ hinaus.


Zum Verhältnis Herta Müller – Oskar Pastior habe ich immer wieder Fragen gestellt, nach der Beeinflussung bei „Atemschaukel“ gefragt und den Grad der Mitwirkung Pastiors an Müller s Werk zu substanziieren gesucht, aus eigener Erfahrung wohl wissend,
dass man ein Werk  über Konzentrationslager und GULAG nicht
„aus zweiter Hand“
schreiben kann.


Da ich mich nicht wiederholen will, hier einige Belegstellen:

Unter anderem unter:


Es ist legitim, Menschen zu verteidigen, die "die Hölle des Kommunismus und Stalinismus" erlebt haben, die Terror, Folter, Angst ertragen mussten. Ich habe es selbst getan, in einer umfassenden Apologie, speziell im Fall "Ion Caraion". 
Der Klassiker rumänischer Lyrik (Expressionismus) und spätere Kritiker des Kommunismus ( nach anfänglicher Begeisterung!) wurde so lange in elfjähriger Gefängnishaft zermürbt, bis er schwach wurde und als Securitate- Informant mitwirkte. ( „Cazul Artur“)Er soll Nicolae Steinhardt ans Messer geliefert haben.

Ein Tag im kommunistischen Gefängnis ist hart. Wer dort überleben will, muss "existenziell" handeln, um dies zu schaffen. Er wird moralisch schwach, weil das Leben vor der Moral kommt - nicht aus Opportunismus ... wie später bei jungen Literaten, die mit den Roten Wölfen heulten, in die KP eintraten und sogar IM der Securitate wurden. 

Trotzdem: Das Mitgefühl für Opfer, die Täter wurden ( aus Schwäche), muss sich in Grenzen halten, vor allem deshalb, weil andere "widerstanden" - ungeachtet Haft, Folter etc.

Wenn einer lange Zeit gelogen hat, die Öffentlichkeit getäuscht hat, dann müssen wir uns auch die Frage stellen, was ist überhaupt wahr, wahrhaftig und authentisch an seinem Oeuvre und seinem Zeugnis.
(P.S. Ich habe den Schlesak- Bericht auf FAZ Net kurz kommentiert.)“

Anmerkung: Meine Kommentare auf FAZ Net werden im Internet nicht gefunden, aus welchen Gründen auch immer.

Auf Ion Caraion bezog ich mich - ich lernte ihn hier im Westen (1981) als notorischen Kritiker des Kommunismus kennen und war geschockt, als der "Fall Artur" bekannt wurde.

Sie erinnern sich, Herr (…) - ich wurde hier auf "Siebenbürger" gesperrt, weil ich den Namen Oskar Pastior zu einer Unzeit aussprach und nach seinem Einfluss auf Herta Müllers "Atemschaukel" fragte.
Literaturwissenschaftler müssen wissen, wie ein Werk entsteht, bevor sie es angemessen interpretieren können. 
Was ist Oskar Pastior zu verdanken an Ideen, Wortmaterial, Konzeption etc. bzw. was ist genuin Herta Müller?
Was hat sie aus den Vorgaben gemacht?
Das fragte ich öffentlich bereits mehrfach.

Wie das Ganze (oder Teile davon) "moralisch" zu werten ist, das ist eine andere Frage.
Es gibt eine Literatur ästhetischer Art um ihrer selbst willen (L'art pour l'art) - und eine "engagierte Literatur", die politisch verändernd wirken will.
Wer ist wer? Und was ist was?
Die Wissenschaft wird es noch herausfinden, hoffe ich.

P.S. Apropos Kriterium "Wahrheit", Herr (…):

Wie erwarten Sie die Schilderung des Lagerlebens während der Russland- Deportation der Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben - 
a la "Atemschaukel" von Herta Müller
oder in der Art "Capesius. Der Auschwitzapotheker" von Dieter Schlesak?

Als Erfahrungsbericht aus "erster Hand" - realistisch geschildert?
Oder als "Fiktion" - sur- realistisch dargestellt?“


„Sonderbares Deutschlandfunk- Interview - trotzdem, vielen Dank für den Link, (…).

Ich hatte die Stimme des Dichters aus Schäßburg erwartet - und eine differenzierte Auskunft darüber, was er bei der CNSAS in Bukarest vorgefunden hat.

Und wer kommt zu Wort? Richard Wagner, ein Rivale aus dem Banat, der erst unlängst Dieter Schlesak in einem Atemzug mit meiner Person und Ingmar Brantsch wüst verunglimpft hat.
Sonderbarer Journalismus?
Weshalb befragt man beim Deutschlandfunk Wagner über Schlesaks Angelegenheit beim Thema Pastior?

Nach Wagners schnellem Urteil wird Pastiors Werk "moralisch" keinen Bestand haben.
Das sagt ein langjähriges Mitglied der Rumänischen Kommunistischen Partei, jener führenden politischen Kraft im Land, die doch der Auftraggeber der "Securitate" war.
Weshalb fragte die Radiojournalistin nicht auch nach dem "moralischen Wert" und Bestand von Richard Wagners Werk?

Ein Trost: Die Instanz, die Oskar Pastior den Büchner- Preis posthum verliehen hat, ist von der ästhetischen Qualität des Pastior- Oeuvres überzeugt und glaubt an den Fortbestand.“

„Es geht weiter:

http://www.faz.net/s/RubD3A1C56FC2F14794AA21336F72054101/Doc~E0C907544FDA54218A578576196397475~ATpl~Ecommon~Scontent.html

Die Spannung steigt weiter an. 
Wer war Täter? Wer war Opfer?
Wer war Täter und Opfer?
Stefan Sienerth, Direktor der IKGS, äußert sich zu Pastior und Schlesak.“


Wie bei Ceausescu und Honecker – das „audiatur et altera pars“ ist nicht gefragt, etwa bei der einst liberalen „Frankfurter Rundschau“. Mein Kommentar wurde nicht veröffentlicht.

„Nachdem Dieter Schlesak Oskar Pastior schwer beschuldigt hat, distanziert sich nun auch Herta Müller von ihrem langjährigen "Freund", dem sie sicher viel zu verdanken hat.
"Welchen Anteil hat Oskar Pastior an Herta Müllers „Atemschaukel“?

Müller setzt bisweilen auf moralische Entrüstung. Ihre Distanzierung wird von der Agentur dpa verbreitet und weit gehend unkritisch bzw. unkommentiert von diversen kleine und größeren Zeitungen übernommen.

"Leserzuschriften" zur Materie sind wenig gefragt. Ich wollte den Artikel der Frankfurter Rundschau Online "Herta Müller entsetzt" kommentieren.
Pustekuchen?
Wie schon so oft bei der FR.

Sagen wollte ich folgendes:
(Die zitierten Texte aus dem SbZ-Forum stammen aus der Zeit 16- 18. 11.2010.)
Frage: Wie sollen wir zur Wahrheit finden, wenn eine Sicht unterdrückt wird? Voltaire hätte sich bereist für die Meinungsfreiheit totschlagen lassen – und was ist heute? Die Zeitungen glauben immer noch an ihr Monopol von gestern – doch das Internet hat etwas dagegen, nicht nur in den stürzenden Diktaturen Nordafrikas!

Foto: Carl Gibson

Herta Müller-Werbung im Herzen der Hauptstadt Bukarest
vor der Buchhandlung des "Humanitas-Verlags" neben der Ienei- Kirche im September/Oktober 2010.


Foto: Carl Gibson

Herta Müllers Werke in rumänischer Sprache,
 ausgestellt im Schaufester der Humanitas-Buchhandlung.

Mit verewigt: Gabriel Liiceanu, Verlagsleiter bei Humanitas, Philosoph, Phänomenologe
und unkritischer Interviewpartner von Herta Müller während ihres Auftritts im "Rumänischen Athenäum".

Das Geschäft hat Priorität - vor der Nobelpreisvergabe an Herta Müller waren ihre Werke in Rumänien kaum verkäuflich. Das änderte sich - wie auch in Deutschland - schlagartig nach der Ehrung in Stockholm 2009.



Foto: Carl Gibson

"Rumänisches Athenäum", Kulturtempel und identitätsstiftendes Wahrzeichen von Bukarest,
ja von ganz Rumänien  

In ihrer Lesung im "Rumänischen Athenäum" berichtete Herta Müller von ihrer kritischen Auseinandersetzung mit der Leiterin eines Kindergartens im Banat, wo die Nobelpreisträgerin zeitweise beschäftigt war. 
Auch das war Systemkritik und Dissidenz.
Nur wurde man deswegen nicht gleich von der Securitate der Ceausescu-Diktatur verhaftet, verurteilt und eingesperrt. 



Und welchen Anteil hat „Atemschaukel“ am kurz nach der Edition verliehenen Nobelpreis?
Pastior hat als Freund und Ideengeber Herta Müller in die Ukraine begleitet, um den einstigen Deportationsort zu besichtigen.
Er bestimmte die Konzeption mit und übergab wohl auch Wortmaterial in der einen oder anderen Form für ein Erlebniswerk „aus zweiter Hand“.

Kann jemand, der selbst nie gehungert hat, ein Werk über den Hunger schreiben?

Kann jemand ein Werk über den kommunistischen Gulag oder über das nationalsozialistische KZ schreiben, über Stalinismus und Nationalsozialismus, wenn er die konkreten Erfahrungen totalitärer Systeme nicht selbst gemacht hat,
wenn er Terror, Folter, Angst nur vom Hörensagen bzw. aus den Schilderungen ander kennt?

„Atemschaukel“ ist ein Werk dieser Art – und Schlesaks „Capesius. Der Auschwitzapotheker“ auch.
Was ist authentisch – und was nur Dichtung, die auf Empathie zurückzuführen ist?

Lassen sich zeithistorisch brisante Phänomene mit Mitteln des Surrealismus darstellen – oder wird dort, wo eine Aufklärung und Aufarbeitung erfolgen soll, eine „realistische“ Darstellung der Fakten und Abläufe erwartet?

Kann es sein, dass Herta Müller sich über Jahre täuschen ließ, ohne zu ahnen, mit wem sie spricht?

Zwischen Werk, Ethos und Moral besteht oft eine Diskrepanz – doch wenn ethisches Versagen so krass ist, kann auch ein ästhetisch anspruchsvolles Oeuvre nicht nur textimmanent aufgenommen und interpretiert werden.

Herta Müller ist entrüstet und übt Schadensbegrenzung, indem sie sich von Pastior distanziert.

Was sagen die Securitate- Akten bei der CNSAS wirklich aus?
Was daran ist echt? Was falsch?
Die Debatte über Schuld und Sühne, Opfer, die zu Tätern wurden, wird noch eine Weile weiter gehen. Carl Gibson"
Nun ist es gesagt.“



In Zeitungskommentaren muss man sich kurz fassen. Dann aber ist man auf die Gnade der Redaktion angewiesen, weil man als freier Bürger seine freie Meinung kundtun will.


P.S. Hier noch einige nützliche Links, die von der Putztruppe im Internet noch nicht mit einsernem Besen beseitigt wurde:

Sie enthalten meine Kritik an Herta Müller, die eineinhalb Jahre lang auf Herta Müllers Wikipedia- Portrait zu lesen war.

Das war schlecht für das Geschäft.

Nach der Nobelpreisbergabe an Herta Müller wurde die in der "Symphonie der Freiheit" formulierte Kritik einfach entfernt, gelöscht -
wie bei den Kommunisten nach 1945.

Es soll nicht sein, was nicht sein darf, das, was die Umsatzzahlen gefährdet!

In Schweden wurde alles trotzdem diskutiert, lange vor dem Nobelpreis! Umsonst?





Estland:


Polen;


Frankreich:





Spanien





Das ist nur eine zufällige Auswahl ... im Netzt ist noch viel mehr!
Wer interessiert ist, forscht nach.

So kommt man der Wahrheit auf die Spur und bringt sie ans Licht!


Aus:

Carl Gibson,

„Die Zeit der Chamäleons“ -


Aphorismen, Reflexionen, Maximen, Sentenzen, Ideen, Essays

zur Literatur, Philosophie und Geistesgeschichte und Kritisches zum Zeitgeschehen


Motto:



Zum Sinn der Philosophie heute

Philosophen sollen reden und schreiben,
Philosophen sollen Fragen aufwerfen und Antworten anbieten,
sonst ist ihr Denken umsonst!
Das – sprichwörtliche – Schweigen der Philosophen ist ein Irrweg, 
denn es verhüllt die Wahrheit und billigt die Lüge.

Das Schweigen der Denker nützt nur den Mächtigen.





 

Mehr zur "Philosophie" von Carl Gibson
in seinem zweibändigen Hauptwerk:

speziell in:

"Symphonie der Freiheit", (2008)
sowie in dem jüngst erschienenen

"Allein in der Revolte.

Eine Jugend im Banat", (2013)






 Philosoph und Zeitkritiker Carl Gibson

Weitere Aphorismen, Reflexionen, Maximen, Sentenzen, Ideen und Essays werden auf diesem Blog folgen.


Copyright: Carl Gibson
Fotos von Carl Gibson: Monika Nickel

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