Bei Heideggers Erben in Würzburg
In der Zeit nach der Klage, also nach 1984, zog ich mich mehr und mehr aus der aktiven Exilpolitik zurück. Der Zenit war überschritten. Meine Sonne sank bereits. Nur wusste ich es noch nicht. Als Deutscher war ich eigentlich kein Exilant. Trotzdem beobachtete ich das rumänische Exilgeschehen von einer Randposition aus, doch eher mit dem innerlich nicht mehr voll beteiligten Blick eines neutralen Mediators, eines geistigen Pontifex, der weiterhin versucht, Brücken zu bauen und an konstruktiven Initiativen festzuhalten.
In der Musik waren Brückenbauer wie Daniel Barenboim am Werk, um - in der Nachfolge eines Yehudi Menuhin und anderer Menschenversöhner - die tiefen Klüfte zwischen arg verfeindeten Völkern zu überwinden. In der Politik und in anderen Bereichen der Kultur waren es interkulturell interessierte Kosmopoliten, die Völker verbindend historische Diskrepanzen zu beseitigen suchten. Wie ein Blick in die damaligen Interviews belegt, hielt ich ungeachtet einer gewissen Distanzierung an der regimekritischen Haltung fest und vertrat dabei ein antitotalitäres Ethos, das auf eine Veränderung der politischen Situation im Ostblock abzielte. Als ich in einem vermutlich 1986 gegebenen und kurz vor der Revolution in Dialog veröffentlichten Interview auf die als Folgeerscheinung von Glasnost und Perestroika eingetretenen Liberalisierungstendenzen in Polen und Ungarn einging und die Frage nach ähnlichen Entwicklungen in Rumänien gestellt wurde, antwortete ich noch mit einem entschiedenen: „Nicht solange Zeit Ceauşescu und seine Familie regieren.“ Das reichte, um weiterhin als Staatsfeind zu gelten. Da meine potenzielle persönliche Gefährdung praktisch bis zum Sturz der Diktatur im Jahr 1989 anhielt, sah ich mich zunehmend mit Forderungen aus dem ebenfalls bedrohten familiären Umfeld konfrontiert, von dem politischen Engagement für eine Sache, die faktisch nicht mehr die meine war, Abstand zu nehmen. Dem fügte ich mich bis zu einem gewissen Grad und fuhr das Engagement etwas zurück, ohne es jedoch ganz aufzugeben.
©Carl Gibson. Alle Rechte vorbehalten.
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