Dienstag, 10. Dezember 2013

Boualem Sansal gegen Bernard-Henri Lèvy Ein Philosoph als Kriegstreiber - Oder: Heiligt der Zweck alle Mittel? Plädoyer für die Abschaffung des Völkerrechts zugunsten einer neuen Philosophie des Willens zur Macht!

Boualem Sansal gegen Bernard-Henri LèvyEin Philosoph als Kriegstreiber - 

Oder: Heiligt der Zweck alle Mittel? 


Plädoyer für die Abschaffung des Völkerrechts zugunsten einer neuen Philosophie des Willens zur Macht!



Der Araber Boualem Sansal stellt sich öffentlich gegen den Franzosen (jüdischer Herkunft?) Bernard-Henri Lèvy -
bahnt sich da auch eine weltanschaulich religiöse Auseinandersetzung an, ein Stellvertreter-Krieg im Geistigen?

Wer hat Europa, der Westlichen Welt und der NATO den Libyen-Konflikt eingebrockt?

Der französische Präsident Nicolas Sarkozy, der mit Frankreichs frühem - und im Bündnis (NATO) nicht abgestimmten - Militärschlag in Libyen vollendete Tatsachen schuf
oder
war es der streitbare Intellektuelle, "enfant terrible" avant la lettre -
Bernard-Henri Levy,
auch geistig- philosophisch ein Querkopf und Rebell,
der seine Vorstellung von Recht und Moral,
von Freiheit und Menschenrechten mit Bomben durchzusetzen bereit ist?

Ein kleiner Bericht in "ttt" (ARD) fragte danach,
kurz, fast in ironischer Posse, doch unvollständig und nicht so kritisch, wie es die hoch brisante Angelegenheit erfordert hätte.

Fragen bleiben offen.

War der Philosoph  das Werkzeug des Präsidenten,
war der "Denker" ein Strohmann für eine militärisch-politische Aktion von besonderer Tragweite?

Oder war  der auch sonst recht streitfreudige Bernard-Henry Levy selbst gar der
Spiritus rector, 
der Initiator der Tat, in Libyen einzugreifen,
um Diktator Muammar el Gaddafi zu stürzen?

Alte Kumpels verstehen sich ( schon aus der gemeinsamen Zeit an der Ecole normale superieure?) - und da ihm Sarkozy als Finanzminister in einer leidigen Steuerangelegenheit angeblich einen kleinen Gefallen tat, war es für Levy an der Zeit,
jetzt nach Libyen zu eilen und dort eine "Opposition" aufzufinden, von der bisher noch niemand etwas gehört hatte.  

Eine Hand wäscht die andere, sagt man -
und : honi soit qui mal y pense!

Nicht nur in Frankreich.

In der freien Enzyklopädie Wikipedia ist zum Verhältnis Sarkozy - Levy bzw. zum jüngsten Libyen Trip Levys in "geheimer Mission" einiges nachzulesen:

http://de.wikipedia.org/wiki/Bernard-Henri_L%C3%A9vy

Dort heißt es:

"Anfang März 2011 reiste er nach Bengasi, um Kontakt zum libyschen Nationalen Übergangsrat aufzunehmen und wie er selbst äußerte: "einen Krieg mit dem Kriegsziel Gaddafi zu stürzen" zu fördern.[14]
Er begrüßte den Militäreinsatz Frankreichs in Libyen und kritisierte die deutsche Zurückhaltung, die zu einer schweren Krise im deutsch-französischen Verhältnis geführt habe.[15]"

Wenn das so zutrifft,
dann hat Homme des lettres und Philosoph Levy sich als Kriegstreiber betätigt,
nicht nur als geistiger Brandstifter -

und das französische Staatsoberhaupt Nicolas Sarkozy nutzte die Anbahnung umgehend,
um einen nicht deklarierten Krieg vom Zaun zu brechen und in die Tat umzusetzen - für Frankreich und für alle anderen 27 Nationen im Boot NATO.

Geschah das im Interesse Frankreichs?
Im eigenen Interesse?

Aber gegen die Interessen Deutschlands, Österreichs und anderer EU-Staaten, die noch das begehrte libysche Eröl beziehen.

Die Russen werden vom Sturz Gaddafi mit oder ohne UNO-Mandat und Sanktion "not amused" sein,
nicht zuletzt,
weil ihnen  - so wird kolportiert - ein 4 Milliarden US-Dollar Hubschrauber-Rüstungsgeschäft durch die Lappen gehen wird.

Doch weitaus schlimmer ist - zumindest aus philosophischer, ethischer, moralischer Sicht - die Tatsache, dass ein Philosoph und Repräsentant der Kultur- und Zivilisations-Nation Frankreich sich schlicht" instrumentalisieren" lässt.

Was dachte sich Levy dabei?

Und dachte der einstige G. W. Bush- Kritiker und Linke der APO-Generation in Gefolge Jean Paul Sartres überhaupt etwas?

Werden alle kommenden Kriege nach Gusto geführt - jenseits von Gut und Böse, jenseits jeder Moral? 

Was hält Bernard-Henri Levy vom Völkerrecht?

Von der Ethik und Moral überhaupt?

Das frage ich mich ( als unbekannter "praktischer und praktizierender" Philosoph ohne Plattform)!

Können wir heilige Werte durchsetzen, indem wir selbst zu Verbrechern werden?

Heiligt der Zweck die Mittel,
alle Mittel?

Machiavelli lässt grüßen - und mit ihm Cesare Borgia und die Bestia triumphans der Machtpolitik.

Wenn das so sein sollte, dann können wir das Völkerrecht ganz abschaffen und das Recht des Stärkeren wieder einsetzen - jenseits der Moral.

Dann können Machtphilosophen, Machiavellisten, rücksichtslose Politiker und Militärs nach Belieben agieren, Despoten und Diktatoren stürzen und - ohne Bedenken - dort eingreifen,
wo es etwas zu holen gibt ...

Erdöl, Erdgas, Gold ... etc.

Was ein Wert ist und was unwert ist, bestimmen dann - im Bund mit den Machtphilosophen - die Akteure an der Front selbst.

Der Staat bin ich, meinte der Sonnenkönig!
Und nach mir die Sintflut, meinte Madame Pompadour?

Kaiser Napoleon Bonaparte unterschrieb beides in seiner Entfaltung des Willens zur Macht
im  Namen von Kultur und Zivilisation.

Doch damals herrschten Absolutismus und Imperialismus!

Was machen wir heute im Alten Europa?

Wir beerdigen das Völkerrecht ( auch ohne George W. Bush, Dick Cheney und Donald Rumsfeld)
 - und die zivilisierten Nationen schauen zu,
ja sie machen mit - inzwischen unter der Ägide der NATO.

Bernard-Henri Levy darf sich freuen - es wird sein Werk sein, wenn Gaddafi gestürzt wird!

Doch lassen sich Menschenrechte, Freiheit und Demokratie herbei bomben?

Einige Demagogen meinen ja - und verweisen auf den Präzedenzfall im ehemaligen Jugoslawien, wo Kriegsverbrechern wie Slobodan Milosevic und Karadgic Einhalt geboten wurde - trotz Srebrenica (oder gerade deswegen!).

(Leute wie Heiner Geissler glauben da eine "ultima ratio" erkennen zu müssen ... wie in Bosnien.

Doch der Vergleich hinkt - Gaddafi bedroht nicht den Frieden in Europa oder in der Welt, was bei Saddam Hussein, der Israel mit Scud-Rakteten-Angriff, anders war.)

Unabhängige, souveräne Staaten gingen aus dem Vielvölkerstaat Jugoslawien hervor:
Slowenien, Kroatien, Bosnien- Herzegowina - und der Rumpfstaat Serbien.

Doch was wurde aus dem Irak nach Saddam Hussein?

Was aus Afghanistan?

Wird bald auch in Syrien gebombt werden, wenn Reformen ausbleiben?
Im Jemen, wenn der altgediente Präsident nicht geht?

Als der letzte Diktator Europas Lukaschenko in Minsk gegen seine Bevölkerung losging und die Oppositionellen und Gegenkandidaten krankenhausreif schlagen und einsperren ließ,
 intervenierte keine NATO und keine EU.

Es blieb bei Verbalismen.
( siehe dazu meinem Blog-Beitrag:

http://carl-gibson.blogspot.com/2010/12/der-letzte-diktator-und-eine-neue.html

In Libyen aber gehen die Uhren wohl anders -

und mit großer Verwunderung nimmt man zur Kenntnis, dass die deutsche Bundesregierung bei dieser eklatanten Völkerrechtsverletzung (Rechtsbruch durch einseitige Parteinahme der NATO) nicht mit dabei sein wollte.

Entweder das Völkerrecht gilt noch etwas,
oder aber wir verzichten darauf zugunsten eines neuen Dschungel-Gesetzes im Chorus der Völker.

Wer die Waffen hat, schafft an.

Wohin diese verhängnisvollen Entwicklungen noch führen, wird sich herausstellen,
wenn die so genannten Demokratiebewegungen in Nordafrika und Arabien die großen Staaten Algerien und Saudi Arabien erfassen.

Bernard-Henri Levy stammt aus Algerien 

vielleicht weiß er wieder guten Rat -
gegen Kants Auffassung vom "ewigen Frieden"  in einer neuen Philosophie des Handels "avant la lettre " im anderen "fait accompli".

(Doch das Thema ist zu ernst für intellektuelle Polemik.)

- Und wieder im Namen der Werte und Errungenschaften der Französischen Revolution.

Wo sind die Philosophen aus der Nation der "Dichter und Denker", die schon lange dagegen halten sollten?

Im Elfenbeinturm der Alma Mater?
Im philosophischen Studio der Fernsehanstalten?
Im Debattierklub der Katakomben?

Die Heuchelei wird unerträglich.

(Nachtrag am 30. März, 2011, 23 Uhr) -

Mein sicher nicht singulärer Aufschrei wurde  vernommen
Inzwischen meldete sich der algerisch-französische Schriftsteller Boualem Sansal ( homme des lettres)  zu Wort,
Details zur Person unter:

http://de.wikipedia.org/wiki/Boualem_Sansal

die oben von mir thematisierte Tandem-Aktion Levy- Sarkozy  höchst kritisch kommentierend.

Europa müsse wieder weg von der Doppelmoral,
weg von der Heuchelei
und weg von der opportunistischen Verlogenheit und
wieder hin zur Moral,
zurück zum humanistischen Ethos der Völker im Geiste der UNO-Erklärung.

Das ist genau das, was ich seit längerer Zeit hier öffentlich einfordere.

Nach Sansal wolle Frankreich sein desolates Image in Nordafrika wieder etwas aufpolieren,
ergo einen "gerechten Krieg" führen.
Dabei werde vergessen, dass Präsident Sarkozy noch unlängst mit Diktator Muammar el Gaddafi paktierte -
( nicht anders als Silvio Berlusconi in heuchlerischer Kumpanei).

Soweit Sansal, der als genuiner Algerier die vitalen Angelegenheiten des Maghreb und der Arabischen Welt sicher besser kennt und weniger polemisch behandelt als Levy.

Aber kann aus einem "unheiligen Krieg" ein Fundament der Werte entstehen? 

Der Circus innerhalb der uneinigen NATO, wie in Libyen vorzugehen sei,  ist der eindeutige Beweis dafür, dass dieser an den Haaren herbei gezogene "Krieg" ohne Kriegserklärung und Parteinahme für eine Bürgerrechtspartei auch innerhalb des westlichen Bündnisses höchst umstritten ist und bleibt.

Die Zeit der Diktatoren neige sich dem Ende zu, meinen einige Politiker.

Doch wie konsequent sind die Befreier?

Was wird aus einem freien Tibet?

Wer legt sich mit China an?

Was aus einem unabhängigen Tschetschenien?

Was aus einem eigenständigen Kurdenstaat?

Und aus einem souveränen Palästina?

Wird Lukaschenko doch noch ausgebombt? 
Vor Putins Haustür?

Oder  Jemen?
Syrien?

Bedenkliches vollzieht sich hinter den Kulissen ( bei NATO und UNO), wobei zwischen Einzelstaaten hart gepokert und gefeilscht wird -
auf Kosten der Prinzipien, die die "westliche Wertegemeinschaft" begründen und bestimmen.

Werden die Werte auf dem Altar der Macht geopfert?

Wenn die Philosophen versagen, dann ist es mit dem Irren opportunistischer Macht-Politiker und Militärs nicht weit her.

Boualem Sansals Korrektur ist wohltuend, während der sonst kritisch-streitbare 68-Sartre-Revolutionär Levy sich weit von den "Französischen Moralisten" entfernt hat,
um einer neuen "Philosophie der Macht" das Wort zu reden -
dopo Nietzsche!


Nachtrag am 26. April 2011:

Wenn Levy nach Libyen einreisen und dort sogar die "Repräsentanten der Opposition" kontaktieren konnte, dann ist die dortige Diktatur Gaddafis doch immer noch "recht liberal", gemessen an einer perfekten Diktatur wie Syrien.

Nach Syrien ist Levy bisher nicht gereist, obwohl die "syrischen Oppositionellen"  sich nach internationaler Solidarität sehnen.

Die NATO will nicht dorthin
- und der UNO-Sicherheitsrat hat auch keine Lösung, syrische Zivilisten vor ihrem Diktator zu beschützen.

Die Lage ist prekär ; doch wenn  der "Funke der Freiheit" überspringt -
und das war abzusehen , dann muss der freie Westen konsequent agieren, nicht doppelzüngig wie bisher.

Oder gibt es Araber erster und zweiter Wahl?
Mit Öl und ohne?




©Carl Gibson. Alle Rechte vorbehalten.

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